Ständerat Werner Salzmann beantwortet die Fragen von Paul Hunziker
TEIL 1
Werner, jetzt bist Du bald 2 Legislaturen im Parlament. Waren diese für Dich gänzlich verschieden, ähnlich oder gar gleich?
Die beiden Legislaturen waren sehr unterschiedlich. Einerseits weil ich eine Legislatur im Nationalrat und die zweite im Ständerat tätig war, andererseits weil unser Land in der zweiten Legislatur mit neuen Krisensituationen konfrontiert ist: Zuerst die Pandemie, dann der Krieg, dann die Energiekrise und nun auch noch die grosse Bankendiskussion.
Die beiden Kammern Nationalrat und Ständerat sind staatsrechtlich völlig gleichwertig. Du bist von der grossen in die kleine Kammer gewechselt. Was ist für Dich kleiner, was grösser geworden?
Kleiner ist einzig die Anzahl Parlamentarier im Ständerat. Alles andere wurde grösser. Da die SVP im SR nur 7 Sitze hat, wir aber in den Kommissionen mit 2 Personen Einsitz nehmen können, wird der Aufwand für den Einzelnen grösser. Jeder muss 50% der Geschäfte in der Kommission und im Rat vertreten. Ich bin in mehr Kommissionen als zuvor: Konkret heisst das, dass sich für mich die Anzahl Kommissionseinsitze verdreifacht hat, dafür kann ich auch in mehr Bereichen direkt Einfluss nehmen.
Der Ständerat repräsentiert die Stände, die Kantone, stimmt aber ohne Instruktionen der Kantone oder deren Regierung und ist in der Ausführung seines Mandates völlig frei. Ist der Begriff „Vertreter der Kantone“ nicht irreführend?
Der Begriff ist nicht irreführend, denn nach Möglichkeit werden die Interessen wirklich wahrgenommen. Die beiden Berner Ständeräte tauschen sich regelmässig mit der Berner Regierung aus und besprechen kantonsrelevante Geschäfte. Wenn die Kantonsinteressen nicht den eigenen politischen Überzeugungen widersprechen, versuche ich, diesen zum Durchbruch zu verhelfen im Ständerat.
Wie sieht diesbezüglich die Zusammenarbeit mit dem zweiten „Standesvertreter des Kantons Bern“ aus?
Die Zusammenarbeit mit dem zweiten Standesvertreter ist auf menschlicher Ebene sehr gut. Da wir jedoch parteipolitisch andere Interessen haben, liegt es in der Natur der Sache, dass wir unterschiedlich abstimmen.
Ist die Ständeratsarbeit auch Parteiarbeit? Hast Du ein Beispiel dafür?
Ja, das ist sie auch. Als überzeugtes SVP-Mitglied liegen meine Entscheide im Ständerat immer auf der bürgerlichen Linie. Beschliesst die Fraktion z.B. eine Sondersession zur Zuwanderung durchzuführen, werden in beiden Kammern gleichlautende Vorstösse eingereicht. Dies führt dann zu einer parteipolitischen Debatte in beiden Räten. Im Ständerat können die Argumente oft besser dargelegt werden als im Nationalrat, da in der kleinen Kammer eine andere Gesprächskultur herrscht.
Der „höchste Schweizer“ ist immer der Nationalratspräsident. Warum nicht der Ständerats- oder Bundespräsident?
Die Vereinigte Bundesversammlung (Legislative) wählt als höchste Instanz den Bundesrat (Exekutive) und die Vertreter der Gerichte (Judikative). Somit kann der Bundespräsident nicht der höchste Schweizer sein.
Der Nationalratspräsident ist auch der Präsident der Bundesversammlung und eigentlich in dieser Funktion der höchste Schweizer. Ich nehme an, dass es an der Entstehungsgeschichte liegt, dass die Rolle nicht dem Ständeratspräsidenten zukommt. Zuerst war man sich damals um 1848 ja einig, dass es einen Nationalrat als Abbild der Bevölkerung geben soll und dann erst entstand die Idee des Ständerats, um den Kantonen im neuen Bundesstaat immer noch eine Stimme zu geben. Für die Bezeichnung der Präsidentin oder des Präsidenten des Nationalrates als „höchste Schweizerin“ oder „höchsten Schweizer“ findet sich in keinem amtlichen Dokument ein Beleg. Es ist ein inoffizieller Titel, der vor allem in der Öffentlichkeit verwendet wird. Wahrscheinlich wird er aus dem demokratischen Aufbau der obersten Behörden in Bund und Kantonen hergeleitet, demzufolge das Parlament als Volksvertretung das höchste Organ im Staat bildet.
Reden wir noch über das Milizparlament. Man sprich von einem Milizparlamentarier im engen Sinn, wenn er weniger als ein Drittel seiner Arbeitszeit für sein Mandat aufwendet. Bist Du gemäss dieser Definition noch ein Milizparlamentarier? Wie viele gibt es so noch?
Ich arbeite immer noch zu 50% als Chefexperte Landwirtschaft bei der kantonalen Steuerverwaltung. Der Aufwand im Ständerat ist zwar viel grösser als im Nationalrat. Ich bezeichne mich trotzdem als Milizpolitiker. Die Anzahl Milizpolitiker ist aber auch im Ständerat abnehmend. (12.04.2023 / Paul Hunziker)
Fortsetzung folgt